Digitaltag 2018
Dornröschen, aufwachen!
Weiterbildung und lebenslanges Lernen sind im Zeitalter 4.0 unabdingbar, um beruflich mithalten zu können. Zugleich ist ausgerechnet in der beruflichen Weiterbildung «Digitalisierung» allzu oft noch ein inhaltsleeres Fremdwort. Höchste Zeit, das Metier wachzuküssen.
Nach einem hektischen Tag im Geschäft hetzt man mit dem Auto durch verstopfte Strassen oder quält sich in eine überbelegte S-Bahnlinie, sucht mühsam einen Parkplatz und findet sich dann in einem Schulzimmer mit ebenso gehetzten Kolleginnen und Kollegen wieder, um dann einem ebenso gehetzten Lehrer zuzuhören. Dieser hatte während seines Berufsalltags kaum Zeit gefunden, den Unterricht vorzubereiten und beschränkt sich daher darauf, von seinen Folien abzulesen oder die Zeit mit mehr oder weniger sinnvollen Gruppenarbeiten zu überbrücken. Willkommen in der klassischen beruflichen Weiterbildung.
Mehrheitlich wird in der anerkannten höheren beruflichen Weiterbildung darauf gepocht, dass die Vorgaben des Prüfungsreglements für die eidgenössische Prüfung wichtiger seien als die Frage, ob das Erlernte für den beruflichen Alltag sinnvoll sei oder nicht. Hinter dem Prüfungsreglement wiederum stehen oft Berufsleute, die selber eine solche Weiterbildung absolviert haben und nun der Meinung sind, dass die Qualen einer beruflichen Weiterbildung Teil des Berufsstolzes seien und darum unbedingt weitergegeben werden müssten.
Zugegeben, es gibt auch Ausnahmen: Es gibt sie, die Lehrer, die sich trotz Beruf und Familie Mühe geben, den Unterricht spannend und à jour zu halten. Es gibt sie, die Schul- oder Studienleiter, die sich ihrer Schäfchen annehmen und sich um sie kümmern, bis sie dann an der Diplomfeier mit geschwellter Brust verkünden, dass die beste Absolventin oder der beste Absolvent von ihrer Schule komme.
Über Sinn und Unsinn einer wie oben beschriebenen beruflichen Weiterbildung wurden bisher kaum Studien erstellt. Der Nimbus der beruflichen Weiterbildung, die für die für die Schweiz unerlässlich ist, verhindert oft kritische Fragestellungen. Doch die Frage sei erlaubt, wie nachhaltig es ist, wenn Informatiker/innen sich heute noch in die Geheimnisse des Betriebsabrechnungsbogens (BAB) einführen lassen, der in dieser Form bei Spezialisten geschweige denn Informatikern im beruflichen Alltag kaum noch eine Rolle spielt. Viele Schulen haben sich gerade erst von der pestalozzianischen Züchtigungspädagogik verabschiedet und die schulische Revolution 2.0 gemeistert. Derweil macht sich das berufliche Umfeld auf den Weg, die industrielle Revolution 4.0 anzupacken. In der Informatik bzw. Wirtschaftsinformatik fehlt es oft an pädagogischem Mut, neue Unterrichtsformen zu prüfen und umzusetzen. Dieser Mut wird zudem umgehend durch mannigfaltige reglementarische Vorgaben oder falsche Rücksichtnahme auf etwelche Stakeholder gebremst.
Technische Innovation beschränkt sich nicht darauf, den Studierenden PDFs zur Verfügung zu stellen.
Doch gerade die Branchen Informatik und Wirtschaftsinformatik bieten aktuell vielfältige Möglichkeiten, den Unterricht näher an den beruflichen Alltag der Studierenden zu bringen. Auch sind technische Möglichkeiten vorhanden, die Unterrichtsformen unterstützen, die bis vor Kurzem undenkbar waren. Geht es nicht darum, die «höheren» Berufsleute für die Digitalisierung fit zu machen? Warum also nicht die Möglichkeiten der Digitalisierung bzw. der industriellen Revolution 4.0 in den Unterricht aufnehmen, als Schule mit gutem Beispiel vorangehen und die technischen Innovationen selber einsetzen? Wobei sich technische Innovation nicht darauf beschränkt, den Studierenden die Unterrichtsunterlagen als PDFs zur Verfügung zu stellen.
Moderne Lehr- und Lernplattformen ermöglichen dezentrales und kollaboratives Lernen. So sind über virtuelle Klassen- und Arbeitszimmer flexiblere Unterrichtszeiten möglich, so dass jeder dann lernen kann, wenn es zeitlich und örtlich am besten passt. Über cloudbasierte Plattformen lassen sich überall und jederzeit Aufgaben lösen und Lerninhalte teilen. Eine ortsunabhängige Vernetzung von Studierenden und Dozierenden ist nahezu unbeschränkt möglich. Der Einbezug der beruflichen Praxis muss nicht mehr durch einen mühsamen Transfer des beruflichen Alltags ins Schulzimmer, sondern kann direkt vor Ort, am Arbeitsplatz des Studierenden, erfolgen. Dabei stehen nicht mehr die abzusitzenden Präsenzzeiten in einem Schulzimmer im Vordergrund, sondern die zu erreichenden Lernziele.
Studierende und Dozierende, die mit den beschriebenen Lern- und Lehrmethoden arbeiten, berichten von entspannterem und freudvollerem Lernen und Lehren, was den Lernerfolg nachhaltig fördert. Der Autor plädiert daher für mehr Mut bei der Umsetzung der Digitalisierung in der beruflichen Weiterbildung: Bringen wir diese endlich ins Schulzeitalter 4.0. (Rolf Böhm)
SIW – die erste digitale Höhere Fachschule der Schweiz – steht für eine moderne Ausbildung in den Bereichen Wirtschaftsinformatik, Betriebswirtschaft und technische Informatik. Wir setzen uns für eine Aus- und Weiterbildung ein, die den Bedürfnissen der Digitalisierung gerecht wird.
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